Die Vorstände von GRÜNE und SP Kehrsatz haben Alec von Graffenried befragt:

  • Im Facebook wird bei einer Fusion mit Bern immer wieder von einem Autonomieverlust der Chäsitzer Bevölkerung gewarnt – wo müssten denn die Chäsitzer*innen tatsächlich auf ihre heutige Autonomie verzichten?
    Alec von Graffenried: «Keine Änderung gäbe es bei der Schule, auch die Feuerwehr würde gleich weiter funktionieren und das Chäsitzer Vereinsleben soll sicher so beibehalten werden. Bau- und Kreditvorlagen würden neu auf gesamtstädtischer Ebene entschieden. Aber hier dürften die Chäsitzer neu auch bei Vorlagen für die ganze Stadt mitreden!» 

 

  • Wie bitte? Keine Änderung bei der Feuerwehr? Kehrsatz müsste doch aus der Regiofeuerwehr austreten?
    AvG: «Ganz sicher nicht! Bern hat viele Feuerwehr-Kooperationen, ich denke, wir würden die relativ neue und gut funktionierende Regiofeuerwehr nicht in Frage stellen, sondern unverändert beibehalten. Bern hat auch eine freiwillige Feuerwehr, das Brandcorps, die Kompanie West des Brandcorps hat eine enge Zusammenarbeit mit Frauenkappelen, das ist ein ähnliches Modell wie die Regiofeuerwehr Belp. Umgekehrt hat soeben Bolligen eine sehr enge Feuerwehrkooperation mit der Feuerwehr Bern beschlossen.»

 

  • Die Chäsitzer*innen Eigenart wird immer wieder hervorgehoben, es wird ein Identitätsverlust befürchtet. Ist das gerechtfertigt?
    AvG: «Hm. Nein. Erzähle mal den Leuten im Obstberg, im Marzili oder in der Lorraine, sie hätten einen Identitätsverlust. Die würden Dich sehr schief anschauen. Bümpliz ist seit über 100 Jahren ein Berner Stadtquartier und das einzige, das sowohl Züri West (Bümpliz Casablanca) als auch Patent Ochsner (W.Nuss vo Bümpliz) inspiriert hat. Nein, da musst Du Dir sicher keine Sorgen machen!»

 

  • Können wir davon ausgehen, dass die Chäsitzer*innen bei einer Fusion von der günstigeren Steueranlage in Bern profitieren würden und sind die Kosten für die Fusionsverhandlungen wirklich zu rechtfertigen?
    AvG: «Ja. In der Stadt Bern gibt es keine Mehrheiten für eine Steuererhöhung und es ist die feste Absicht, daran nichts zu ändern. Und zu den Projektkosten: es ist eben ein grosses Projekt, das hat seinen Preis, aber dafür gibt es auch einen grossen Nutzen. Die Fusionsabklärungen kosten umgerechnet rund 10 Franken pro Person, also ein Betrag, der doch sehr überschaubar ist.»

 

  • Die Volksschulen in Bern sind in verschiedenen Modellen organisiert, würde unsere Schule die Autonomie verlieren?
    AvG: «Nein. In der Stadt Bern gibt es ja die Vielfalt an Schulmodellen, das zeigt, dass die Stadtteile hier sehr frei sind. Daher gäbe es hier sicher keine Änderung für Chäsitz. Aber es gäbe grosse Unterstützung, wie zum Beispiel die i-pads für alle Kinder im Schulunterricht.»

 

  • Vielleicht fusionieren nur Bern und Ostermundigen, viele weitere Agglomerationsgemeinden fehlen, macht es da überhaupt Sinn, wenn das kleine Chäsitz und Frauenkappelen die Fusionsgespräche weiter führen?
    AvG: «Sicher! Manchmal müssen die Kleinen den Grossen zeigen, wie es geht. Chäsitz und Frauenkappelen würden in diesem Prozess eine Schlüsselrolle und auch eine Pionierrolle spielen. Obwohl sie klein sind, werden sie gleichberechtigt am Prozess teilnehmen und damit eine wichtige Position einnehmen.»

 

  • Würde auch unser Gewerbe von einer Fusion profitieren?
    AvG: «Vom einzelnen Betrieb aus und kurzfristig betrachtet kann ich da keine grossen Versprechungen machen. Der Wirtschaftsraum Bern insgesamt würde aber sicher gewinnen, und eine gut laufende Wirtschaft nützt letztendlich auch dem Einzelbetrieb, der Wirtschaftskraft, der Arbeitsplatzsicherheit. Das sind wichtige Argumente.»

 

  • Über 800 Chäsitzer*innen arbeiten in der Stadt Bern, viele mehr verbringen ihre Freizeit dort oder verfolgen Kultur- und Sportveranstaltungen vor Ort – was würde sich dabei bei einer Fusion ändern?
    AvG: «Sie könnten endlich mitreden und abstimmen, wie der neue Hirschengraben und der neue Bahnhof aussieht. Sie könnten über die Zukunft der Altstadt abstimmen, die ja auch das Stadtzentrum für die Chäsitzer ist. Sie wären endlich auch politisch Teil dieses Wirtschaftsraums und dieser Stadtregion, zu der sie gesellschaftlich und kulturell längst gehören.»

 

  • Was hat die Stadt i.S. Digitalisierung der Verwaltung alles im Köcher und wo liegen hier die Vorteile für das kleine Chäsitz?
    AvG: «Die Digitalisierung der Verwaltung ist anspruchsvoll und auch teuer. Es macht sicher Sinn, diese Schritte in die Zukunft zusammen zu machen. In der Stadt mit 4000 Stadtangestellten und 1,4 Mrd. Umsatz können solche Projekte besser umgesetzt werden als in einer kleinen Gemeinde. Und gemeinsam ist das Ganze nochmals lohnender.»

 

  • Was empfehlen Sie einer unentschlossenen Person wenn Sie auf Facebook für eine Antwort gerade mal 3 Zeilen zur Verfügung hätten?
    AvG: «Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört. Stellen Sie sich vor, die Eidgenossen hätten sich nicht über mehrere Etappen bis zur modernen Schweiz von 1848 zusammengeschlossen, es ginge uns wesentlich schlechter und wir könnten das heute nicht verstehen. Tun wir deshalb etwas Mutiges, auch für die künftigen Generationen!»

Vielen Dank für das Interview!